Körperschall- und Erschütterungsimmissionen an Bahntrassen


Körperschall- und Erschütterungsimmissionen durch den klassischen Schienenverkehr haben ihre Ursache im wesentlichen in der Einwirkung dynamischer Kräfte vom Fahrzeug auf die Fahrbahn sowie der Rückwirkung von Fahrbahn und Untergrund auf diese Kräfte. Hierdurch entstehen Schwingungen. Sie werden über das Gleisbettungssystem in den Grund übertragen, breiten sich in Wellenform im umgebenden Boden aus und werden über die Fundamente in benachbarte Gebäude eingeleitet.

Unter dem Begriff Körperschall wird sekundärer Luftschall verstanden, der infolge von Schallabstrahlung schwingender Gebäudeteile, in der Regel Decken und Wände, innerhalb von Gebäuden in der Nachbarschaft von Bahntrassen hörbar sein kann. Die Sekundärluftschall-Immissionen treten meist im Frequenzbereich zwischen 50 Hz und 80 Hz auf und werden als dumpfes Grollen wahrgenommen. Zur Bewertung des Sekundärluftschalls dient der maximale A-bewertete Schalldruckpegel LAmax in dB(A) während der Zugvorbeifahrten.

Anmerkung:
Bei oberirdischem Schienenverkehr wird der abgestrahlte Körperschall in den Räumen auf der Seite des Schienenweges meist durch den (primären) Luftschalleintrag durch die Fenster überlagert, so daß er - wenn er überhaupt getrennt wahrnehmbar ist - weniger störend empfunden wird und oft nur mit großem Aufwand gemessen werden kann. Dies gilt vor allem dann, wenn die Fenster nur eine geringe Schalldämmung aufweisen und der Schienenweg sehr nah ist.

Erschütterungen bezeichnen tieffrequente Schwingungen von Gebäuden, die der Mensch mit seinem ganzen Körper wahrnimmt. Sie können insbesondere dann zu erheblichen Belästigungen führen, wenn Geschoßdecken in Resonanz angeregt werden. Je nach Art und Spannweite der Decken liegt der Hauptfrequenzbereich zwischen 10 Hz und 40 Hz. Zur Bewertung von Erschütterungsimmissionen dienen sogenannte KB-Werte.

Anmerkung:
Im Zusammenhang mit Erschütterungen können Sekundäreffekte auftreten, die oft störender sind als die Erschütterungen selbst (z.B. Gläserklirren). Es ist allerdings nicht möglich, hieraus Rückschlüsse auf die Größenordnung der Erschütterungen zu ziehen, da diese Effekte bereits bei den geringsten Erschütterungsimmissionen auftreten können, sogar bei solchen, die unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle liegen. Sie sind meist leicht zu beseitigen, etwa durch ein geringfügiges Verschieben der Gläser an einen anderen Platz.



Schädliche Umwelteinwirkungen durch Erschütterungen sind im Titel des Bundes-Immissionsschutzgesetzes explizit genannt. Da allerdings in der Verordnungsermächtigung des § 43 Abs. 1 BImSchG, welche die Grundlage für die 16. BImSchV darstellt, Erschütterungsimmissionen nicht angesprochen werden, fehlt im Verkehrsbereich die Rechtsgrundlage für die Festlegung von Erschütterungsgrenzwerten. Ebenso existieren derzeit noch keine verbindlichen Kriterien für die Feststellung, wann ein erheblicher baulicher Eingriff zu einer "wesentlichen Erhöhung" der Erschütterungsimmissionen führt, woraus Anspruchsberechtigung auf Vorsorgemaßnahmen abgeleitet werden könnte.

Nach einem Vorschlag der Deutschen Bahn AG soll unter einer wesentlichen Erhöhung eine Erhöhung der Schwingstärke (des KB-Wertes) um mehr als 25% der Bestandssituation verstanden werden. Erschütterungsimmissionen unterhalb einer "Zumutbarkeitsschwelle" von KBFmax = 0,4 werden grundsätzlich als zulässig betrachtet.

Eine wesentliche Erhöhung des sekundären Luftschalls durch Körperschallimmission wird analog zu den Regelungen der 16. BImSchV mit einer aufgerundeten Differenz von größer / gleich 3 dB(A) festgelegt.

Beim Umbau einer vorhandenen Gleisanlage (Trassierungsänderung und/oder neue Fahrbahnart) sind also die maximalen Schwingstärken KBFmax sowie die maximalen Sekundärluftschallpegel LAmax in den Gebäuden vor Durchführung der Baumaßnahme mit den entsprechenden Werten nach Durchführung der Baumaßnahme zu vergleichen. Hierbei darf der Unterschied zwischen beiden Situationen ausschließlich auf geänderte Fahrbahnarten beziehungsweise geänderte Abstände zurückgehen, nicht auf den Verschleißzustand der alten Gleise.

Beim Neubau einer Bahntrasse gelten bezüglich der Erschütterungseinwirkungen auf Menschen in Gebäuden die entsprechenden Anhaltswerte der DIN 4150-2. Zur Bewertung der Körperschallimmissionen kann der "Immissionsrichtwert innen" gemäß TA Lärm (1998) einen hinreichend brauchbaren Maßstab darstellen. Ein Schienenbonus sollte bei der Ermittlung der Sekundärluftschallpegel nicht gewährt werden.




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